Sehr geehrte Mitglieder der türkischen Gemeinde in Köln,
Verehrte Medienvertreter,

als Initiative Türkischer Vereine und Verbände in Köln und Umgebung, wobei mehr als fünfzig Zivilgesellschaften vertreten werden, sind wir zusammengekommen, um unseren Unmut gegen die Aufstellung an der Hohenzollernbrücke des voreingenommenen und beschuldigenden Mahnmals zu den Ereignissen von 1915 zu zeigen.

Wie wir öfters betont haben, ist dieses Objekt der Ausdruck einer Mentalität, welche mit seiner Art und seinem Inhalt auf eine Nation abzielt, den gesellschaftlichen Frieden beeinträchtigt und polemisiert. Es stellt daher einen Angriff auf die öffentliche Ordnung und die gesellschaftliche Konsenskultur dar.

Die Initiative Türkischer Vereine und Verbände in Köln und Umgebung hat seit ihrer Gründung stets einen respektvollen Umgang mit dem Gesetz und der gesellschaftlichen Ordnung gepflegt und den Dialog und die Kommunikation mit Vertretern der Stadt gesucht. Unsere Initiative hat in gesellschaftlicher Verantwortung und Toleranz die Kultur des Zusammenlebens jederzeit aktiv unterstützt.

Wir sehen jedoch, dass einige Gruppierungen das Prinzip des gesellschaftlichen Pluralismus und Zusammenhalts in dieser Stadt sich nicht zu eigen machen und nicht zögern, die Gesellschaft für ihre eigenen politischen Kalküle zu spalten und zu trennen, und aller unserer Mahnungen zum Trotz Schritte unternehmen, die die öffentliche Ordnung und den gesellschaftlichen Frieden zerstören können.

2017 wurde ein Kreuzstein auf einem Friedhof, worin auch türkische Staatsbürger beerdigt sind, auf der Grundlage der Behauptungen zum Völkermord aufgestellt. Unsere Anliegen, die wir in diesem Prozess ausgedrückt haben, wurden nicht berücksichtigt. Der Beschluss zur Aufstellung des Kreuzsteins, welcher in Windeseile und auf unsensible Weise gefasst wurde, hat die türkische Gemeinde in Köln tief verletzt.

Mit dem Wagemut, den dieser Beschluss angestiftet hat, haben diese Gruppierungen seit 2018 mehrere Versuche unternommen, das polarisierende, polemisierende und politisierende Mahnmal, dessen Ausstellung an der Hohenzollernbrücke nun vorübergehend zugelassen wurde, aufzustellen. Diese ständig von Anspannungen und Konflikten nährenden Gruppierungen haben in den vergangenen Jahren davon nicht zurückgescheut, vollendete Tatsachen zu schaffen, um dieses Mahnmal auszustellen. Nur gerichtliche Entscheidungen konnten sie vorläufig von ihren unrechtmäßigen Handlungen abhalten.

Wir, als Vertreter:innen der türkischen Gemeinde in Köln, können nicht akzeptieren, dass die aggressiven, ständig neue Aufforderungen heraufbeschwörenden und zur Anerkennung dieser Aufforderungen die öffentliche Ordnung missachtenden Haltungen einiger Gruppierungen in Köln von den Stadtverwalterinnen und -verwaltern ignoriert, toleriert und sogar, wie bei der Erteilung der Sondernutzung, letztendlich belohnt wurden.

Was uns am meisten betrübt, ist die Tatsache, dass bisher nicht eine einzige Vertreter:in der türkischen Gesellschaft in die Entscheidungsfindung miteingebunden und ihre Meinung noch nicht einmal eingeholt wurde. Die Türken wurden bei einem so wichtigen Thema, in dem sie mit massiven Vorwürfen konfrontiert werden, bewusst von der Entscheidungsfindung ausgeschlossen. Dies wirft die Frage auf, wie ernst die Kultur des Zusammenlebens von den Entscheidungsträgern genommen wird.

Die Vorgehensweise, die bei der Umsetzung derartiger Themen die türkische Gesellschaft in Köln ignoriert und ausgrenzt, ist nicht hinnehmbar.

Türken und Armenier haben jahrhundertelang nebeneinander und miteinander gelebt. Tatsächlich sorgte die Toleranzpolitik des Osmanischen Reiches gegenüber verschiedenen Identitäten, Glaubensrichtungen und Kulturen dafür, dass alle Nationen, die Teil des Reiches waren, mit einem lebendigen Gefühl für Sprache, Glauben und Kultur bis zum Ende des Osmanischen Reiches im 20. Jahrhundert ihre Identität bewahren konnten.

Es ist von niemandem zu leugnen, dass die Armenier während des Ersten Weltkrieges sehr gelitten und viele von ihnen ihr Leben verloren haben. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass Millionen von Muslimen im Osmanischen Reich in der gleichen Zeit ums Leben kamen. Während wir der Verluste der einen Seite gedenken, dürfen wir die Verluste der anderen Seite nicht übersehen. Ansonsten kann man aus der Geschichte keine Lehre ziehen.

Um die Annäherung zwischen Türken und Armeniern wiederherzustellen, muss der Prozess des Dialogs initiiert, unterschiedliche Ansichten respektiert und versucht werden, sich einzufühlen. Auf diese Weise kann der Weg für eine Annäherung der türkischen und armenischen Geschichtsnarrative im Sinne einer „Gerechten Erinnerung“ geebnet werden.

In der Überzeugung, dass dies möglich ist, hat die Republik Türkiye im Jahr 2005 vorgeschlagen, eine gemeinsame Historikerkommission, die sich aus Sachverständigen aus Türkiye, Armenien und anderen Ländern zusammensetzt, zu gründen, um in allen Archiven Nachforschungen über die Ereignisse von 1915 durchzuführen. Die Ergebnisse dieser Kommission würden zu einem besseren Verständnis dieser tragischen Periode für Türken und Armenier und zur Normalisierung zwischen beiden Ländern beitragen. Armenien hat auf den Vorschlag von Türkiye bisher nicht reagiert.

Andererseits spiegelt die Kondolenzbotschaft des Präsidenten der Republik Türkiye vom 24. April an das Armenische Patriarchat in Istanbul die mitmenschliche Haltung von Türkiye. Wir als Türken und Türkischstämmigen heben ausdrücklich die Wichtigkeit des Blickes in die Zukunft, der Vermeidung von verletzenden Diskursen und der Toleranz gegenüber Meinungsverschiedenheiten hervor, während geschichtliche Wahrheiten auf Basis eines gerechten Erinnerung erforscht werden.

Tatsächlich hat zwischen Türkiye und Armenien ein Normalisierungsprozess begonnen. Sonderbeauftragte wurden gegenseitig ernannt, Direktflüge zwischen Istanbul und Eriwan gestartet und der Handel mit Luftfracht zwischen den beiden Ländern ist möglich geworden. Zuletzt besuchte der armenische Außenminister Türkiye nach der Erdbebenkatastrophe vom 6. Februar in Kahramanmaraş.

Einige radikale Gruppen wollen all diese Entwicklungen leugnen und versuchen mit all ihrer Macht zu verhindern, dass das gesellschaftliche Leben sich normalisiert und die Aussöhnung der Türken und Armenier voranschreitet. Es ist außer Frage, dass ein Nachgeben gegenüber diesem unfassbaren Verhalten in keiner Weise positiv zu diesem Prozess beitragen wird.

Leider sind wir an einen Punkt angekommen, an dem wir mit einem Angriff auf unsere Identität konfrontiert sind. Wir sind traurig zu sehen, dass unsere Werte, die uns zu dem machen, was wir sind, bewusst verzerrt werden und dass Einige Politik über unsere Geschichte machen.

Wir werden jedoch nicht gleichgültig bleiben. Es ist unsere Hauptaufgabe, unsere tiefe und lange gemeinsame Geschichte im Rahmen einer gerechten Erinnerungskultur an die neuen Generationen weiterzugeben. Egal wie sehr jemand versucht, Anfeindungen zu erzeugen, wir werden unsere jungen Menschen mit einem Bewusstsein erziehen, die in der Lage sein werden, ihre Kultur zu schützen und anderen Nationen immer mit Toleranz und Respekt gegenüberzustehen.

Mit diesem Verständnis wollen wir dieses Jahr eine Geschichtstagung in Köln veranstalten. Unser Ziel ist es, das Leid, die Migrationen und die Massaker, die während des Zusammenfalls des Osmanischen Reiches vor und während dem Ersten Weltkrieg in einem weiten Raum stattfanden, umfassend und fair zu behandeln und alle Meinungen einzubeziehen. Wir können die Zukunft gemeinsam gestalten, indem wir die Geschichte diskutieren. Dafür müssen wir Tabus brechen.

Wir glauben, dass es der beste Weg für unsere Zukunft ist, unser Leid zu teilen, anstatt ihn in einen Wettstreit zu versetzen. Wir möchten, dass dieses Teilen auch an einem Ort zum Ausdruck kommt, an dem wir zusammenkommen und eine gemeinsame Erinnerung schaffen können. Als solche werden wir uns bemühen, dass an einem zentralen Platz von Köln ein Denkmal errichtet wird, welches uns verbindet und nicht trennt. Wir glauben, dass dieses Denkmal unseren gemeinsamen Schmerz angemessen widerspiegeln und unsere gemeinsame Zukunft beleuchten wird.

Als Initiative Türkischer Vereine und Verbände in Köln und Umgebung haben wir immer wieder die Wichtigkeit des friedlichen Zusammenlebens in unserer Stadt betont. Wir haben uns gegen Bestreben, den sozialen Frieden zu zerstören, gestellt. Dies werden wir auch weiterhin tun.

Wir sind stolz Teil Kölns zu sein; einer Stadt, die unterschiedliche Kulturen und Lebensstile beherbergt. Wir wollen, dass Köln auch weiterhin als eine der Symbolstädte des erfolgreichen Zusammenlebens bleibt. Dies erfordert jedoch Stimmen der Vernunft. Alle relevanten Beteiligten, insbesondere die Stadtverwaltung, muss ihrer Verantwortung bewusst sein. Als Initiative Türkischer Vereine und Verbände in Köln und Umgebung sind wir bereit, diesen Weg gemeinsam zu gehen.

Köln ve Çevresi Türk Dernek ve Birlikleri İnisiyatifi
Initiative Türkischer Vereine und Verbände in Köln und Umgebung
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Initiative der Türkischen Vereine in Köln und Umgebung