Der Zusammenhalt in Vielfalt in einer Gesellschaft ist ein großer Segen zugleich auch eine Herausforderung für die Akteure einer Gesellschaft. Er ist eine existenzielle Ressource für freiheitlich-demokratischen Rechtstaates. Diese zu erhalten, erfordert große Anstrengung der Gesellschaft und Politik. Alle Akteure der Gesellschaft sind gefordert, sich für den sozialen Frieden einzusetzen. Wenn der Zusammenhalt in Vielfalt gefährdet wird, entstehen Konflikte und Repressionen zwischen unterschiedlichen ethnischen und religiösen Gruppierungen. 

Die Entstehung der Nationalstaaten Ende der 18. und anfangs 19. Jahrhundert hat die Strukturen von Vielvölkerstaaten in Bezug auf Vielfalt und Zusammenhalt zerschlagen. Diese Entwicklung hat zu leidvollen und zu unerträglichen Konflikten geführt. Gewalttätigen Auseinandersetzung und Kriege zwischen verschiedenen ethnischen und religiösen Gruppen sind ausgebrochen. 

Krieg bedeutet Tod, Leid, Vertreibung Schmerz und Trauer aller Beteiligten. Ebenso war es auch im Ersten Weltkrieg, bei dem sehr viele Menschen verschiedener ethnischer, kultureller, religiöser Zugehörigkeiten auf dem Balkan, Kleinasien und Kaukasus durch die Gewalt, Zwangsumsiedlung und Vertreibung ihr Leben oder ihre Heimat verloren haben.  

Nur Trauer und Tod gewinnt einen Krieg. Das Erbe dieses Krieges war Verwüstung der Städte, Verschmutzung der Umwelt, Ausbeutung der Natur, Verschwendung der Ressourcen und Feindschaft zwischen Völkern und andauernde Schmerz im kollektiven Bewusstsein der Völker. 

So haben im Ersten Weltkrieg Millionen von Christen und Muslimen, Türken wie Armenier und andere religiöse und ethnische Gruppen ihr Leben auf Balkan, in Kaukasus und Kleinasien verloren.  So wie die körperliche Unversehrtheit ein unverrückbares universelles Menschenrecht ist, so sind die Aufrechterhaltung und Pflege der Erinnerungen sowie Gedenken an Leid und Freude aller Menschen, gleich welcher Religionen, Kultur und ethnischer Gruppe, würdig und wertvoll. Dieses Recht umfasst ebenso die Praxis der religiösen, ethischen und kulturellen Werte eines jeden Menschen, mit denen man das Leben gestalten möchte. 

Zu diesen Rechten gehört sicherlich, den Opfern des Krieges zu gedenken. Das Leid der Hinterbliebenen zu  teilen  und  sich  mit  den  Betroffenen  zu  solidarisieren ist ein menschliches Verhalten, dass uns zusammenrücken lässt und unsere Gesellschaft stärkt.  Dabei darf aber kein Unterschied zwischen den Opfern gemacht werden, sowie zischen den Menschen Spuren der Trauer und der Bürde in sich tragen. Insbesondere dürfen keine  Zugehörigkeiten zu Eigenen oder  zu Anderen kulturelle, religiöse oder ethnische Gruppierungen dazu führen, das historische Ereignisse und daraus resultierende Leid der Menschen bei bestimmten thematisiert und in den Vordergrund gestellt und während sie bei anderen verdrängt werden. Deshalb gedenkt und solidarisiert sich die türkische Community in Köln und Umgebung aufrichtig mit allen Leidtragenden der oben genannten Tragödie.  Die Aufgabe eines jeden verantwortungsbewussten Menschen, ob Religionsvertreter oder Vertreter anderer zivilgesellschaftlicher Vereine, Verbände und politischer Parteien, eines freiheitlich demokratischen Staates liegt darin, sich zu bemühen und dafür einzusetzen, dass kriegerische Auseinandersetzungen nicht erneut ausbrechen und dass Menschen solches Leid nicht noch einmal erfahren müssen.

Um dieser Verantwortung gerecht zu werden, um den Zusammenhalt in Vielfalt in unserem Land zu schützen, bedarf es hier einer intensiven sowie offenen Gesprächs- und Dialogkultur. Die Gruppierungen und Organisationen, die nicht bereit sind einen konstruktiven Dialog und eine offene Kommunikation zu führen, haben aus der leidvollen Geschichte des Leides und der Trauer nicht gelernt. 

Die einseitige polarisierende Wahrnehmung die ideologisierte Erinnerungskultur und spalterische Aufrufe gegen Menschen unterschiedliche religiöser und ethnische Zugehörigkeiten werden keinen Beitrag zur  Verständigung    und    für    Toleranz    unter    den    Menschen    leisten und den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Vielfalt in unserem Land fördern.  Diese Umgangsformen können die Werte und Normen unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung aushebeln und die Integrität der Menschen in Frage stellen. 

Uns, der Initiative Türkischer Vereine in Köln und Umgebung ist bewusst, dass vor, während und nach dem Ersten Weltkrieg Zwangsumsiedlungen, Überfälle, kriegerische Auseinandersetzungen auf dem Balkan, Kleinasien und Kaukasus zustande kamen und  tausende zahllose Türken und Muslime sowie  vielen Slawen, Griechen, Araber und  Armenieren u.a. das Leben und ihre Heimat verloren haben. 

Uns ist bekannt, dass das Erinnern heute an Leid, Tod und Vertreibung von Tausenden Menschen nicht den Schmerz der damaligen Menschen noch ihre Nachkommen das Schmerz nehmen wird. Zu diesen leidvollsten Ereignissen der Menschheitsgeschichte zu erinnern, an den Gestorbenen zu gedenken, eine Erinnerungskultur zu pflegen und zu ritualisieren, ohne zu polarisieren, polemisieren und politisieren, ist ein Wert, der uns heute zusammenbringt, Toleranz, Respekt und eine gemeinsame Zukunft schafft, daher gepflegt werden sollten. Das Erinnern ermannt uns, wozu Hass, Ausgrenzung und Entmenschlichung führen kann.  

Anstatt die schrecklichen Ereignisse als entzweiende Erinnerungen als einen Keil zwischen Menschen unterschiedlicher Zugehörigkeiten zu lassen, sollten wir   vielmehr   das Leid aller Menschen   zum   Anlass   nehmen,   um   eine gemeinsame Gedenk- und Erinnerungskultur    mit   Empathie   und Verständnis zu bemühen, damit sich dieses nicht wiederholen kann.

Ein Mahnmal jedoch, der sich den Diskurs entziehend, Menschen anderer Religionen und Ethnien beschuldigend und an den Pranger stellend öffentlich aufgestellt wird, verletz nicht nur die Gefühle und Empfindung dieser Menschen in Köln und Umgebung, sondern ignoriert auch das Leid ihrer Vorfahren. Dieses wird nicht nur Empathie und das Mitgefühl für einander schwächen und gar zerstören, es wird Mistrauen und Ausgrenzung schaffen und somit neue Konfliktfelder hervorrufen. 

Daher geht es uns um ein Zeichen für Zusammenhalt in unserer Gesellschaft in der Erinnerung an das Leiden durch die Geschehnisse im vor und während des Ersten Weltkrieges von Balkan  über Kleinasien, den Nahen Ostens bis in den  Kaukasus hinaus  zu setzen, beantragen wir einen Gedenkmal / Mahnmal auf einem angemessenen öffentlichen Ort in dem Stadtgebiet Köln. Damit möchten wir eine Brücke zwischen den Kulturen in unserer Stadt Köln setzen.

Initiativplattform der Türkischen Vereine in Köln und Umgebung